Leseprobe
2.1 Die manuelle Bestellpunktdisposition
2.1.1 Definition
In der manuellen Bestellpunktdisposition vergleicht das SAP-System den dispositiv verfügbaren Bestand mit dem Meldebestand im Materialstamm. Über das Dispositionskennzeichen »VB« im Materialstamm weist man das Dispositionsverfahren dem Material zu (siehe Abbildung 1.4). Der Melde- und Sicherheitsbestand wird bei dieser Dispositionsart manuell auf den Sichten Dispo1 (Meldebestand) und Dispo2 (Sicherheitsbestand) eingepflegt (vgl. Abschnitt 3.1).
Der Meldebestand
Der Meldebestand ist eine Bestandsmenge, bei deren Erreichen oder Unterschreiten eine Beschaffung ausgelöst werden soll, um sicherzustellen, dass das Material während des Beschaffungsprozesses stets in ausreichender Menge zur Verfügung steht
Der Sicherheitsbestand
Der Sicherheitsbestand dient zur Überbrückung des Materialbedarfs bei Verzögerung in der Beschaffung (Lieferverzögerung oder Probleme bei der Fertigung) und ist Bestandteil des Meldebestands.
Wird der Meldebestand erreicht oder unterschritten, soll nachgeordert werden. Im Idealfall wird mit Erreichen des Sicherheitsbestands der Wareneingang gebucht (siehe Abbildung 2.1).
Abbildung 2.1: Beschaffung in der Bestellpunktdisposition
Um den Meldebestand zu bestimmen, werden der Sicherheitsbestand, die Wiederbeschaffungszeit sowie der Verbrauch während der Wiederbeschaffungszeit benötigt. Den Meldebestand berechnet man mit der folgenden Formel:
Meldebestand = Sicherheitsbestand + (Tagesbedarf × Wiederbeschaffungszeit in Tagen)
Sicherheits- wie auch Meldebestand stammen aus dem Materialstamm.
2.1.2 Die Wiederbeschaffungszeit
Die Wiederbeschaffungszeit setzt sich zusammen aus der Einkaufsbearbeitungszeit (in den Werksparametern im Customizing – siehe Abschnitt 8.2), der Planlieferzeit (Materialstamm) und der Wareneingangsbearbeitungszeit (Materialstamm), wie in Abbildung 2.2 gezeigt.
Abbildung 2.2: Wiederbeschaffungszeit
Die Einkaufsbearbeitungszeit wird in »Arbeitstagen« gepflegt und gibt die Zeit an, die der Einkäufer benötigt, um eine Bestellanforderung aus der Disposition in eine Bestellung umzusetzen. Sie wird in den Werksparametern im Customizing unter dem Pfad Materialwirtschaft • Verbrauchsgesteuerte Disposition • Werksparameter • Gesamtpflege der Werksparameter gepflegt und auf der Ebene des Werks eingestellt (Einstellung siehe Abbildung 2.3). Diese Zeit ist nicht vom Material abhängig, da es prinzipiell den gleichen Aufwand erfordert, eine Position mit 100 Tonnen Kies oder eine Schraube zu bestellen.
Abbildung 2.3: Einkaufsbearbeitungszeit
Die Planlieferzeit stellt die Zeit dar, die der Lieferant benötigt (bei Material mit Eigenfertigung entspricht dies der Eigenfertigungszeit), das Material zu liefern. Im Materialstamm ist diese als Pflichtfeld einzutragen. Im Einkaufsinfosatz ist es dagegen möglich, in den Einkaufsorganisationsdaten für die Kombination aus Lieferanten, Material, Einkaufsorganisation und Werk eine gesonderte Planlieferzeit zu pflegen. Beispielsweise benötigt ein Lieferant für die Lieferung in das Werk Berlin einen Tag, für eine Lieferung nach Heidelberg drei Tage. Ist die Planlieferzeit im Materialstamm mit anderen Werten gepflegt als im Einkaufsinfosatz, so gilt die Regel »vom Speziellen zum Allgemeinen« (siehe Abbildung 2.4).
Abbildung 2.4: Planlieferzeit im Materialstamm und Einkaufsinfosatz
Der Einkaufsinfosatz ist durch die Kombination von Material und Lieferant der konkretere Stammsatz, weshalb aus ihm die Planlieferzeit zur Berechnung der Wiederbeschaffungszeit herangezogen wird. Die Planlieferzeit ist in Kalendertagen zu pflegen, da beispielsweise der Transport einer Ware aus Übersee per Schiff nicht an Wochenenden oder Feiertagen angehalten wird.
Die Wareneingangsbearbeitungszeit wird im Materialstammsatz auf der Sicht Einkauf unter Sonstige Daten erfasst (siehe Abbildung 2.5).
Abbildung 2.5: Wareneingangsbearbeitungszeit
Sie gibt die Zeitspanne an, die nach der Anlieferung benötigt wird, um das Material zu prüfen und einzulagern. Die Wareneingangsbearbeitungszeit wird in Arbeitstagen angegeben, da der Wareneingang nur an diesen Tagen tätig ist.
2.1.3 Die Nettobedarfsrechnung
Mit der Nettobedarfsrechnung prüft das SAP-System, ob überhaupt ein Beschaffungsvorschlag in der Disposition erzeugt werden soll. Hierzu wird der Meldebestand mit dem dispositiv verfügbaren Lagerbestand (Bestand, Bestellung, Fertigungsaufträge etc.) abgeglichen. Ist der Meldebestand größer, so entsteht eine Unterdeckung, und es wird ein Beschaffungsvorschlag in Höhe der zuvor festgelegten Losgröße (vgl. Abschnitt 3.1.2) erzeugt (siehe Abbildung 2.6).
Abbildung 2.6: Nettobedarfsrechnung in der manuellen Bestellpunktdisposition
Der dispositiv verfügbare Lagerbestand setzt sich zusammen aus dem Lagerbestand und dem Bestellbestand. Im Customizing kann in den Werksparametern eingestellt werden, ob auch der
- Umlagerungsbestand,
- der gesperrte oder
- der nicht freie Bestand
als dispositiv verfügbar gilt und zum Lagerbestand hinzugerechnet wird (siehe Kapitel 8, Customizing).
Zum Bestellbestand gehören die Mengen aus:
- Bestellungen,
- fixierten Bestellanforderungen und
- fixierten Planaufträgen.
»Fixierte« Bestellanforderungen oder Planaufträge bedeuten, dass diese sicher in Bestellungen bzw. Fertigungsaufträge umgesetzt werden. Zudem werden sie durch einen Planungslauf in Menge oder Terminierung nicht mehr verändert. Eine manuelle Änderung bleibt dennoch möglich. Die Fixierung erkennt man in den Belegen am Fixierungskennzeichen (FixierKennz), in der Bedarfs- und Bestandsliste am »*« hinter der Belegnummer (siehe Abbildung 2.7).
Abbildung 2.7: Fixierung eines Beschaffungselements (hier eine Banf)
2.1.4 Die Terminierung in der manuellen Bestellpunktdisposition
Bei der manuellen Bestellpunktdisposition ist der Zeitpunkt bekannt, zu dem ein Beschaffungsvorschlag erzeugt wird: das Unterschreiten des Meldebestands. Das System errechnet nun mittels der Wiederbeschaffungszeit mit einer Vorwärtsterminierung, wann das Material zur Verfügung steht: den Verfügbarkeitstermin. Ausgehend vom Freigabetermin (dem Datum, an dem eine – wenn nötig freigegebene – Bestellanforderung vorhanden ist, die in eine Bestellung umgesetzt werden kann) wird die Einkaufsbearbeitungszeit hinzugezählt. Das ergibt den Bestelltermin, also das Datum der Bestellung. Zum Bestelldatum wird im nächsten Schritt die Planlieferzeit aus dem Materialstammsatz oder Einkaufsinfosatz addiert, und man erhält das Wareneingangsdatum. Da das Verbringen des Materials auf den jeweiligen Lagerort, die Prüfung und das Einbuchen in das SAP-System weitere Zeit in Anspruch nehmen, wird die hierfür vorgesehene Wareneingangsbearbeitungszeit hinzugezählt, und man erhält den Verfügbarkeitstermin: den Termin, zu dem das Material eingebucht ist und für die weitere Verarbeitung bereitsteht (siehe Abbildung 2.8).
Abbildung 2.8: Vorwärtsterminierung
Da der Lieferant bei der Terminierung im Planungslauf in der Regel noch nicht feststeht, wird die Planlieferzeit aus dem Materialstamm zur Berechnung herangezogen. Damit die Planlieferzeit aus dem Einkaufsinfosatz genutzt werden kann, muss der Lieferant beim Planungslauf bereits bekannt sein. Um diesen Prozess abbilden zu können, muss der Einkaufsinfosatz im Orderbuch als eindeutige Bezugsquelle gepflegt und als disporelevant markiert sein (siehe Abschnitt 3.2.2).
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